Stolpersteine im Märchen oder Das Glück liegt auf Deinem Weg
Was dem einen als Stolperstein im Wege liegt, mag ein anderer als Glücksstein empfinden. Es ist eine Frage der Betrachtung und der Sichtweise. So sagte auch Antoine de Saint-Exupéry in seiner Erzählung „Der kleine Prinz“: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für das Auge unsichtbar.“ Doch warum sollen Stolpersteine das Glück auf unserem Weg sein? Warum sehen wir in ihnen nicht das Wesentliche, das uns hilft, im Glück zu wandeln.
Was fordert unsere Aufmerksamkeit?
Über was wir stolpern, fordert unsere Aufmerksamkeit. Wir können in dem Augenblick des Stolperns unseren Weg nicht fortsetzen. Hierzu eine kleine persönliche Erfahrung auf meinem Weg durchs Leben: Ich bin einmal bei leichtem Regen im Wald spazieren gewesen, ganz in meinen Gedanken versunken. Plötzlich hielt ich inne. Ich wusste nicht warum, es war Instinkt oder ein Reflex. Etwas in mir hat etwas wahrgenommen, dass mein gedankenverlorenes Ich nicht bemerkte. Ich hielt also abrupt im Gehen inne und schaute zum Erdboden. Da kreuzte einen halben Meter vor mir ein Feuersalamander meinen Weg. Ich wäre direkt in ihn hinein gelaufen, womöglich auf ihn drauf getreten. Aber nicht nur das war entscheidend. Der Feuersalamander war mit seiner auffällig gelbgefleckten Färbung eine beeindruckende Erscheinung. Wie ein Signal, das mir sagen wollte: Bleib stehen. Wache auf. Mach die Augen auf. Nimm wahr, was gerade ist.
Die Sehnsucht, Anzukommen im Glück
So ähnlich geschieht es auch den Märchenhelden, die ganz versunken in ihre Sehnsucht, ihren Weg gehen. Am Wegesrand taucht dann plötzlich ein Tier oder ein graues Männlein oder eine Alte im Wald auf. Sie fordern ähnlich dem Feuersalamander direkte Aufmerksamkeit und Zuwendung. Die Märchenhelden, die sich davon gestört fühlen, wollen schnell weiterkommen und sich nicht an vermeintlich banalen Dingen aufhalten. Sie haben nur eines im Kopf: Ankommen. Der Märchenheld jedoch, der aufmerksam sich dem zuwendet, was seinen Weg flankiert, hat keine Eile. Er wendet sich dem zu, was jetzt geschieht und jetzt angeschaut, gelöst und gemeistert werden will. Und immer geht er bzw. sie reicher an Erfahrung den eigenen Weg weiter.
Glück und Unglück auf dem Weg
Auch warten so manch große Brocken direkt auf dem Weg. Hier kommt keiner vorbei. Im Märchen kann das beispielsweise die Begegnung mit einem Drachen sein. Doch der schon vorher geübt hat, Stolpersteine nicht als Unglück, sondern als Herausforderung zu betrachten, der hat ausreichend Kraft und Erfahrung angesammelt, um im entscheidenden Moment seine Kräfte zu bündeln und den momentan größten Stolperstein zu überwinden. Er setzt sich damit auseinander. Denn es liegt auf seinem Weg und hat mit ihm selbst zu tun. Aber, und das ist hier von entscheidender Bedeutung: er hält sich nicht daran auf, denn er weiß, das das Leben nicht Stillstand ist, nicht ein Anhaften an alten Brocken und kein Verharren und Bitten, es möge sich von selber auflösen. Kräfte im entscheidenden Moment zu mobilisieren und unbeirrt dem Ruf des Herzens zu folgen, ist der Zauber der Wandlung. All die gesammelten Erfahrungen des Weges helfen dem Märchenhelden auf seinem Weg ins Glück. Was dieses Glück für jeden einzelnen bedeutet ist so unterschiedlich, wie es Märchen und Lebensgeschichten gibt. Und wahrlich glücklich mag sich wohl der Held des Märchens und des Lebens fühlen, der erkennt, dass Glück allgegenwärtig ist und nicht ein Ziel, auf das er zusteuert und dabei vergisst, zu leben. Wer ein Gespür dafür entwickelt, dass all die Stolpersteine auf dem eigenen Weg Hilfen sind, sich mehr und mehr mit dem Glück in sich selbst zu verbinden, der ist wahrlich ein Glückspilz. Denn dann hat alles Irren und Wirren ein Ende. Dann ist er stets auf dem richtigen Weg. Dann ist es Glück, zu leben.
Die Allgegenwärtigkeit des Glücks
Doch warum strebt der Märchenheld, ja jeder Mensch, das Glück als ewigen Zustand an? Was ist die Kraft dahinter? In einem Glücksmoment spüren wir für einen winzigen Augenblick das Einssein. Wir fühlen uns integer und mit uns selbst und der Welt verbunden. Das Gefühl der Trennung, des Abgespalten seins ist für einen Moment nicht spürbar. Das möchten wir halten. Aber schon ist es wieder im Wandel. Schon entfleucht der magische Zeitraum der Ewigkeit. Denn wir sind eingewoben in das polare Prinzip. So wie das Pendel an seinem extremsten Punkt ausschlägt in die entgegengesetzte Richtung, so wandeln auch wir stets zwischen den Polen, immer in Bewegung und nur für einen Augenblick im Pol selbst. So mag die menschliche Wertung des Glücks eines ewig anhaltenden glücklichen Zustands eine hinderliche sein. Dann macht uns die Sehnsucht und die leidlichen Versuche nach Erfüllung dieser Vorstellung von Glück unglücklich. Es ist das ewige Gefühl des Mangels und das Gefühl, immer etwas tun zu müssen, um etwas zu bekommen, von dem wir glauben, dass es uns fehlt und das doch die ganze Zeit in uns ist. Die Vorstellung, Glück herbei holen zu müssen, trennt uns von dem allgegenwärtigen Glück, das durch jeden Schritt auf unserem Weg bewahrheitet wird. Wenn wir nur aufmerksam und gegenwärtig sind. Uns immer angekommen fühlend.
Das Glück kommt auf leisen Sohlen
Genau betrachtet ist Glück kein Zustand, sondern ein Gefühl. Glück ist wandelbar und individuell. Manchmal sind es die großen erhabenen Momente wie es uns das Märchen veranschaulicht: eine Krönung, eine Hochzeit oder errungene Weisheit. Die Wiedervereinigung mit etwas, das eine Zeit lang gefehlt hat. Dies kann zu einem tiefen inneren Frieden führen. Es fühlt sich erfüllt an. Es kann sich allerdings genauso gut auf einen inneren Prozess beziehen und nicht immer und unbedingt auf eine Handlung im Außen. Doch es gibt auch das Glück, das sich anfühlt wie ein Rausch. Und wenn der Rausch vorüber ist, ist da so eine Leere, ein Gefühl des Verlustes. Dann war das Glück abhängig von etwas, das im Außen gesucht wurde. Anhaltendes Glück aber ist ein stilles, kein berauschendes Gefühl. Es ist spürbar in jedem stillen Moment der Dankbarkeit. Es ist der Blick, die innere Haltung die hier entscheidet, ob ich den Mangel sehe oder die Fülle, das halb leere oder das halb volle Glas. Wenn wir dankbar sind, für das, was ist, fühlen wir vielleicht auch dieses stille und leise GLÜCK. Dann ist der Weg das Ziel und die Stolpersteine wecken uns auf, das Glück im Hier und Jetzt zu erkennen. Dann werden wir zum Hans im Glück!
Wie Hänschen klein zum Hans im Glück sich wandelte
Haben oder Sein. Anhaftung oder Wandlung. Was „macht“ glücklicher? Glücklich ist, wer aus seiner Situation immer das Beste macht, so wie Hans in dem bekannten Volksmärchen „Hans im Glück“ aus der Sammlung der Brüder Grimm. Was eben noch zu seinem Glück geführt hat, ist alsbald hinderlich auf seiner Weiterreise und fühlt sich an wie Ballast und Unglück. Das satte Glück allerdings hat Hänschen auf dem Weg zum Hans „erworben“, als er eins ums andere Mal geprüft wurde, welchen (inneren) Werten er dient. Alles weltlich Erworbene brachte immer neue Sehnsüchte mit sich. Doch Hans machte sich „seine“ Stolpersteine zu Glückssteinen. Die Bürde des weltlich Erworbenen war ihm unerträglich. All das hat er immer wieder losgelassen und sich befreit vom gefühlten Unglück. Auch hier zeigt sich, wie individuell Glück und Unglück empfunden und gewertet werden. So ist er reich an Erfahrung und frohen Herzens wieder nach Hause zurück gekehrt. Glücklich, zu leben, ohne Anhaftung an weltliche Vorstellungen von Besitz. Und ob Hans in unseren Augen dumm ist oder der wahre Gewinner – ein Glückspilz eben – dass darf sich jeder selbst beantworten.
Hier gehts zum Nachlesen vom Märchen Hans im Glück
Viel Freude beim Lesen und Betrachten!
Weitere Beiträge zu Märchenbetrachtung und Urbilder im Märchen findest Du hier: Blog: Märchen & Natur
Fotonachweise: links Sarah Schmidt, rechts Udo Steinert
Fotonachweis linke Spalte: Sarah Schmidt
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